Küssen, Schmutz und Haustiere schützen vor Allergien
Küssen ist aus mikrobiologischer Sicht eine effektive Methode, mal auf die Schnelle sehr viele Bakterien auszutauschen. Schon nach zehn Sekunden haben rund 80 Millionen Keime den Besitzer gewechselt. Und offensichtlich nutzt dieser Keimtransfer vor allem Allergikern. So sollten 24 Studienteilnehmer mit Ekzemen und Neurodermitis und 24 Probanden, die unter Heuschnupfen litten, ihre Partner eine halbe Stunde lang küssen. Vor- und nachher entnahmen ihnen die Wissenschaftler Blutproben und konnten so feststellen, dass sich nach dem Kussmarathon weniger Allergie Antikörper und weniger vom allergieauslösenden Botenstoff Histamin in ihrem Blut befanden.
Keime trainieren Abwehrkräfte
Bakterien sind wichtige Trainingspartner unseres Immunsystem. Unser Körper benötigt die regelmäßige Auseinandersetzung mit Keimen, um das Immunsystem auf Trab zu halten, zu beschäftigen und zu trainieren, aber auch, um unnötige Überreaktionen zu verhindern. Das ist auch der Grund, weshalb probiotische Bakterien inzwischen sehr häufig zur Behandlung von Allergien und Neurodermitis eingesetzt werden. Auch unsere Darmbakterien freuen sich über ein bisschen Schmutz und der eine oder andere Keim, den wir durch eine nicht allzu hygienische Lebensweise aufnehmen, siedelt sich dann dauerhaft im Darm an und unterstützt die Keime vor Ort bei ihrer Arbeit.
Kleiner Schmutz mit großer Wirkung
Wenn es um die richtige Dosis Schmutz geht, haben sogar kleine Details eine große Wirkung. Eine aktuelle schwedische Studie hat gezeigt, dass beim Geschirrspülen von Hand mehr Keime auf Gläsern und Tellern zurückbleiben, als bei der Benutzung einer Geschirrspülmaschine. Alleine dieser kleine Unterschied bewirkt, dass in Familien, in denen der Abwasch noch Handarbeit ist, das Allergierisiko der Kinder deutlich niedriger liegt als in Haushalten, die auf Maschinenwäsche setzen. Lungenfachärzte der Salzburger Kinderklinik stellten zudem fest, dass nur drei Prozent der Kinder, die auf einem Bauernhof leben, unter Heuschnupfen leiden. Bei Stadtkindern waren hingegen fast zehn Prozent betroffen. Unter Asthma litten sie sogar viermal öfters. Auch eine US-Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine zu saubere Umgebung der Gesundheit von Babys und Kleinkindern nicht zuträglich ist.
Lebt ein Hund im Haus, steigert das die Vielfalt der Bakterien in der Luft und auf Oberflächen enorm. „Igitt“, sagen jetzt die Hygienefanatiker. „Juhuu“, jubeln hingegen die Allergologen. Denn schon länger ist bekannt, dass Tiere im Haushalt das Risiko für Allergien der Hausbewohner deutlich senken Denn für unser Immunsystem sind auch die harmlosen Tierkeime willkommene Sparringspartner.
Etwas weniger Desinfektion, etwas mehr Lockerheit im Umgang mit Staub und Schmutz und die Möglichkeit, banale Infekte auszukurieren, anstatt sie vorschnell durch Antibiotika zu bekämpfen, wären sicher sinnvolle Maßnahmen, das Allergierisiko zu senken.
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