Spermidin aus Nahrung und Darmflora wirksam gegen Corona und Alterung?
Das natürliche Polyamin „Spermidin“ verjüngt unsere Zellen, hält das Gehirn fit und scheint auch lebensverlängernde Wirkungen zu haben. Forscher der Berliner Charité stellten nun fest, dass der Wirkstoff wahrscheinlich auch Effekte gegen Coronaviren besitzt. Spermidin kommt in verschiedenen Nahrungsmitteln vor. Auch bestimmte Darmbakterien sind in der Lage, Spermidin zu produzieren.
Spermidin hat zahlreiche günstige Effekte auf die Zellgesundheit, die Lebenserwartung und die geistige Leistungsfähigkeit. Nun macht Spermidin auch Hoffnung im Kampf gegen Corona. Spermidin ist für jede Körperzelle wichtig, um Selbstreinigungsprozesse zu unterstützen. Das ist auch bei Infekten von Bedeutung.
Spermidin wirksam gegen Corona?
Während einer Infektion mit dem Coronavirus scheint der Spiegel dieses Polyamins deutlich zu sinken. Dadurch wird die Ausbreitung von Viren begünstigt. Zusätzliche Spermidingaben könnten diesen Prozess bremsen. In einer Studie versorgten Berliner Forscher um Prof. Drosten virusinfizierte Zellen mit zusätzlichem Spermidin und senkten dadurch die Vermehrung von Corona-Viren um mehr als 85 Prozent. Auch gesunde Zellen profitierten von dem Polyamin: Sie konnten einer Infektion besser widerstehen, wenn sie zuvor gut mit Spermidin versorgt wurden.
Obwohl diese Effekte zunächst nur in Zellkulturen nachgewiesen wurden, kann es nicht schaden, sich in Zeiten von Corona gut mit dem Wirkstoff zu versorgen. Wer mit der Nahrung viel Spermidin zu sich nimmt, kann dadurch möglicherweise den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Auch Spermidin produzierende Darmbakterien sorgen für höhere Spermidinspiegel in den Zellen.
Lebensverlängerung durch Spermidin?
Daneben scheint Spermidin ein spannender Anti-Aging-Wirkstoff zu sein. Wer viel davon im Blut und in den Zellen hat, verlängert damit seine gesunde Lebensspanne. Das konnte kürzlich ein großes internationales Forscherteam, geleitet von der Medizinern der Uni Innsbruck, erstmals auch für den Menschen nachweisen.
Über 800 Probanden wurden 20 Jahre lang regelmäßig zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Diejenigen, die täglich rund 12 Milligramm Spermidin zu sich nahmen, konnten dadurch ihre gesunde Lebensspanne erheblich steigern und das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen senken. Sie lebten, verglichen mit den Studienteilnehmern, die sich spermidinarm ernährten, sogar rund fünf Jahre länger. Die Effekte, die Spermidin auf den Organismus und die Zellen hat sind vergleichbar mit der „Autophagie“, einem Selbstreinigungsprozess der Zellen, der sich auch bei längerem Fasten einstellt. Spermidin gibt, ähnlich wie eine längere Phase ohne Nahrung, den Zellen das Signal fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Zellbestandteile abzubauen. Weil die Autophagie im Alter an Effizienz verliert, bleibt der „Zellmüll“ einfach liegen, was wiederum zu Demenz, Diabetes, Tumoren und Atherosklerose führen kann. „Die vermehrte Aufnahme von Spermidin schützt vor Ablagerungen und vorzeitiger Alterung“, sagt Prof. Dr. Spefan Kiechl, Universitätsklinik für Neurologie, Innsbruck
Schutzfunktion durch Signalwirkung
Die Spermidinversorgung unserer Körperzellen verschlechtert sich im Lauf des Lebens. „Dieser Entwicklung kann durch eine Ernährung mit spermidinreichen Lebensmitteln wie Keimgemüse, Erbsen, Vollkornprodukten, Äpfeln, Salat, Pilzen, Nüssen, Kartoffeln oder gereiftem Käse entgegengewirkt werden“, betonen die Innsbrucker Forscher.
Umgelegt auf die individuelle Nahrungsmittelzufuhr würde man sich mit beispielsweise zwei Portionen Vollkornbrot, zweimal Salat und einem Apfel auf dem täglichen Speiseplan im oberen Drittel der Spermidineinnahme wiederfinden.
Besonders spermidinreiche Lebensmittel sind Weizenkeime, die 24 Milligramm Spermidin pro 100 Gramm liefern. Die gleiche Menge gereifter Cheddarkäse oder getrocknete Sojabohnen enthalten rund 20 mg. Nennenswerte Spermidinmengen liefern auch Kürbiskeren (10 mg), Pilze (9 mg), Nüsse (2-7 mg), Erbsen, Reiskleie ( jeweils 5 mg), Rinderhackfleisch (4 mg), Brokkoli, Blumenkohl Mango, Mais, Kichererbsen (jeweils etwa 3 mg), Äpfel, Vollkornbrot ( jeweils 2 mg).
Auch Darmbakterien können Spermidin produzieren
Das Mikrobiom greift auf vielfältige Weise in unser Stoffwechselgeschehen ein. Darmbakterien sind in der Lage, Nahrungsbestandteile zu verstoffwechseln, eigene Metaboliten zu produzieren oder körpereigenen Substanzen wie Hormone oder Gallensäuren zu metabolisieren. Einige darmeigene Bakterienstämme und auch Bakterien aus probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln sind sogar in der Lage, nennenswerte Mengen von Spermidin und anderen Polyaminen zu produzieren. So ließ sich die Spermidinproduktion im Darm durch das Probiotikum Bifidobacterium animalis subsp. lactis messbar erhöhen. Und das war wiederum verbunden mit einer Verbesserung der Darmgesundheit, einer Verlängerung der Lebensdauer und einer Verbesserung der Lebensqualität bei Tieren und Menschen. Auch Milchsäurebakterien, Bacteroides thetaiotaomicron und Fusobacterien können große Mengen dieser gesunden Substanzen produzieren. Besonders gut ist die Ausbeute, wenn wir die Darmbakterien zusätzlich noch mit Präbiotika versorgen.
Quellen:
Higher spermidine intake is linked to lower mortality:
Prospective population-based study. Kiechl S. et al. AJCN
http://dx.doi.org/10.1093/ajcn/nqy102
Polyamines and Gut Microbiota. Tofalo R, Cocchi S, Suzzi, G. Front Nutr. 2019; 6: 16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6397830/
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http://dx.doi.org/10.1126/science.aan2788
Cardioprotection and lifespan extension by the natural
polyamine spermidine. Eisenberg T. et al., Nat Med. 2016
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http://dx.doi.org/10.1038/nm.4222