Aktuelles Darmgesundheit

Demenz und Mikrobiom – Stoffwechselprodukte von Bakterien schädigen Nervenzellen

Die Ursachen für Demenz liegen noch weitgehend im Dunkeln. Aktuelle Studien konnten jetzt nachweisen, dass an Demenz Erkrankte ein anders zusammengesetztes Mikrobiom haben und Stoffwechselprodukte der Bakterien die Nervenzellen schädigen könnten.

Gestörte Informationsweiterleitung bei Demenz

Unter dem Begriff „Demenz“ werden mehr als 50 unterschiedliche Krankheitsbilder zusammengefasst, deren gemeinsamer Nenner der allmähliche Verlust geistiger Fähigkeiten ist und oft auch eine auffällige Veränderung des Verhaltens. Zwei Drittel aller Betroffenen leiden unter einer so genannten Alzheimerdemenz. Typisch für diese Erkrankung ist ein Mangel an dem Nervenbotenstoff Acetylcholin. Dieser Neurotransmitter ist wichtig für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen, denn er leitet Informationen von einem Nerv (Neuron) auf den anderen weiter. Wird diese Möglichkeit der Übermittlung von Nerv zu Nerv gestört, hat das den gleichen Effekt, wie eine gekappte Telefonleitung – Nachrichten werden nicht mehr übermittelt und Erinnerungen können nicht mehr abgerufen werden, da die Verbindung gestört ist. Typisch für die Alzheimer-Demenz sind Eiweißablagerungen im Gehirn. Dieses Eiweiß wird hier Amyloid genannt und kann von den hirneigenen Fresszellen offensichtlich nicht mehr beseitigt werden. Das Eiweiß erwürgt die Neuronen und dem zugemüllten Gehirn gehen dadurch immer mehr Fähigkeiten verloren.

Mikrobiom könnte an Demenz beteiligt sein

Die Ursachen liegen noch weitgehend im Dunkeln, aber die Keime im Verdauungstrakt scheinen eine Rolle zu spielen. Denn Demenz und Darm haben offensichtlich mehr als nur den Anfangsbuchstaben gemeinsam. In einer Studie verglichen Wissenschaftler die Stuhlproben von 43 Alzheimer-Patienten mit denen von 43 gesunden Personen in etwa dem gleichen Alter. Bei Demenz fehlten – ähnlich wie auch bei anderen Erkrankungen – vor allem die Butyrat- und Propionat-Produzenten (Bacteroides, Ruminococcus oder Lachnospiracea).

Eine italienische Forschergruppe brachte die Alzheimer Demenz in Verbindung mit einem hohen Spiegel von Entzündungsmarkern im Blut, mit zu vielen entzündungsfördernden Bakterien im Darm wie E. coli und einem Mangel an Entzündungs-Hemmern wie Eubacterium rectale und Bacteroides fragilis. Vor diesem Hintergrund ist auch interessant, dass Bakterien wie E. coli, Salmonellen, Bacillus subtilis oder Staphylokokken nennenswerte Mengen Amyloid bilden, das bei Alzheimer ja eine Schlüsselrolle spielt. Und diese Bakterienproteine können offensichtlich sowohl die Darmbarriere als auch die Blut-Hirn-Schranke ganz einfach überwinden. Die Gleichung erscheint logisch: Eine Störung des Mikrobioms + vermehrte Amyloidbildung im Darm + eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmbarriere = mehr schädliches Amyloid im Gehirn. Und im Alter lässt die Barrierefunktion der Darmschleimhaut, aber auch der Blut-Hirn-Schranke weiter nach und beschleunigt auf diese Weise wahrscheinlich noch zusätzlich die Alzheimerentstehung.

Mikrobiom-Metabolit fördert Arteriosklerose

Und ein weiterer Metabolit scheint Demenz zu befeuern. Die Rede ist von Trimethylamin-N-Oxid (TMAO). TMAO gilt inzwischen als ein wichtiger Risikofaktor für Arterienverkalkung und Herzkreislauferkrankungen. Dieses Stoffwechselprodukt wird in der Leber gebildet, wenn unsere Darmflora tierische Lebensmittel, vor allem rotes Fleisch, verstoffwechselt. TMAO gilt inzwischen als einer der „Topmetaboliten“, die das Risiko für Alzheimer steigern. Deshalb gilt es auch zum Schutz vor Demenz den TMAO-Spiegel so niedrig wie möglich zu halten. Alle dazu notwendigen Informationen finden Sie hier

Magenbakterium Helicobacter begünstigt Demenz

Doch nicht nur die Bakterien im Darm, auch die (wenigen) im Magen haben möglicherweise fatale Auswirkungen auf die grauen Zellen. Helicobacter pylori ist ein weit verbreiteter Keim, der als einer der Wenigen der Salzsäure im Magen trotzt und es sich dort, wo kaum ein anderes Bakterium überleben kann, gemütlich macht. Mit negativen Folgen für den Menschen. Eine chronische Infektion erhöht nämlich das Risiko für Magenschleimhautentzündung und Magengeschwüre.

Doch jetzt kommt der Verdacht auf, dass dieser Magenbewohner, wenn wir ihn zu lange beherbergen, noch üblere Folgen haben kann. Er wird inzwischen auch mit der Entstehung von Demenz in Verbindung gebracht, denn Alzheimerpatienten tragen vergleichsweise häufiger den Keim in sich als gesunde Gleichaltrige. Und selbst bei Patienten, die nur unter leichten Gedächtnisstörungen litten, ließ sich der Keim fast doppelt so oft nachweisen wie bei Personen, die noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren. Je stärker die Infektion, das heißt, je höher der Antikörperspiegel war, der im Blut gemessen wurden, desto schlechter stand es um die geistige Regsamkeit der Betroffenen.

Wahrscheinlich arbeitet der Keim gleich an mehreren Fronten gegen unsere grauen Zellen: Die Aufnahme des für Nervenzellen und Blutgefäßen wichtigen Vitamin B12 geht zurück, wodurch Nerven geschädigt und die Durchblutung des Gehirns beeinträchtigt werden kann. Außerdem scheinen Entzündungsstoffe den Abbau von Gehirnzellen zu beschleunigen. Um den Keim loszuwerden ist allerdings eine längere Antibiotikatherapie notwendig, die nicht nur den Helicobacter killt, sondern auch den anderen Gesellen im Darm zusetzt. Dennoch sollte man in diesem Fall zunächst den Magenkeim beseitigen und anschließend mit Hilfe der Ernährung und synbiotischen Nahrungsergänzungsmitteln der Darmflora wieder auf die Sprünge helfen.

Was kann man tun, wenn Verdacht auf Demenz und eine Störung des Mikrobioms besteht?

  • Lassen Sie eine Mikrobiomuntersuchung durchführen. Dadurch erfahren Sie, wie Ihre Darmflora aufgestellt ist und ob Sie ausreichend entzündungshemmende Bakterien beherbergen, die ordentliche Mengen kurzkettiger Fettsäuren bilden oder ob es da Lücken gibt. Was bei einer Mikrobiomanalyse zu beachten ist, finden Sie hier: Mikrobiomanalyse.
  • Gerade bei Erkrankungen des Nervensystems spielt die Darmbarriere eine wichtige Rolle. Marker, mit denen sich ein leaky gut Syndrom nachweisen lässt, sind „Zonulin“ und „alpha-1-Antitrypsin“. Diese Werte lassen sich in einer Stuhlprobe analysieren. Infos zum leaky gut Syndrom finden Sie hier: leaky gut
  • Entzündungen, meistens als Folge einer Störung des Mikrobioms oder eines „leaky gut Syndroms“, spielen bei fast allen Alterungsvorgängen und sehr vielen Erkrankungen, vor allem Krankheiten des Nervensystems eine Rolle. Lassen Sie Entzündungsmarker im Stuhl (z.B. Calprotectin) und im Blut (z.B. CRP) überprüfen.
  • Lassen Sie überprüfen, ob Sie den Helicobacterkeim beherbergen. Dazu gibt es drei Möglichkeiten: einen Atemtest, die Bestimmung von Antikörpern im Blut oder die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Magen im Rahmen einer Magenspiegelung. Da sich der Keim mit dem Atemtest ähnlich zuverlässig nachweisen lässt, wie durch eine Gewebeprobe, fällt die Entscheidung wahrscheinlich leicht. Der Bluttest ist weniger aussagekräftig, da er auch bei bereits ausgeheilten Infektionen noch positiv ausfallen kann.
  • Lassen Sie Ihre Vitamin B 12 Spiegel im Blut überprüfen. Das ist vor allem wichtig, wenn Sie wenig tierische Lebensmittel zu sich nehmen oder eine chronische Magenschleimhautentzündung haben. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass bei Demenz oft ein Mangel an Vitamin B 12 besteht.

Weitere Empfehlungen

  • Nehmen Sie keine probiotischen Präparate ein, die den Bakterienstamm E. coli enthalten.
  • Lassen Sie Ihren TMA-Spiegel im Blut bestimmen. Bestimmte Bakterien, vor allem solche aus der Gruppe der „Fäulnisbakterien“ sind in der Lage TMA zu bilden, das Gefäßverkalkung fördert. Mit Hilfe eines Tests lässt sich überprüfen, ob der TMA-Spiegel zu hoch ist. Ist das bei Ihnen der Fall, sollten Sie weniger Fleisch und Eier verzehren und keine L-Carnitin-haltigen Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Knoblauch, Olivenöl, Traubenkernöl, Balsamicoessig und Rotwein konnten in Studien die bakterielle TMA-Bildung verringern. Mehr dazu finden Sie hier
  • Um gesund zu bleiben, benötigt das Gehirn und vor allem die Abwehrzellen des Nervensystems die kurzkettigen Fettsäuren Propionat und Butyrat. Beide können auch als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Propionat als Natriumpropionat oder Calciumpropionat, Dosierung: 500 mg bis 1 g täglich. Butyrat als Natriumbutyrat, die Tagesdosis liegt bei 600 mg. Dennoch sollte man nicht allein darauf setzen, sondern auch parallel dazu die Keime fördern, die diese Fettsäuren dann eigenständig im Darm produzieren können.

Mikrobiominfo

  • Bei Alzheimerdemenz besteht oft ein Mangel an: Butyrat- und Propionatbildnern wie Bacteroides, Ruminococcus, Lachnospiracea, Eubacterium rectale und Bacteroides fragilis sowie kurzkettigen Fettsäuren
  • Bei Alzheimerdemenz besteht oft ein Überschuss an: E. coli, im Magen wird oft der Keim Helicobacter pylori nachgewiesen

Quellen:

Xu R, Wang Q (2016) Towards understanding brain-gut-microbiome connections in Alzheimer’s disease. BMC Syst Biol 10 (Suppl 3):63 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5009560/

Zhuang ZQ, Shen LL, Li WW et al. (2018) Gut microbiota is altered in patients with alzheimer’s disease. J Alzheimers Dis 63:1337–1346 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29758946?dopt=Abstract