Aktuelles Darmgesundheit

Süßstoffe – können Übergewicht begünstigen und das Mikrobiom schädigen

In der EU sind derzeit 19 so genannte „Süßungsmittel“ zugelassen. Manche dieser Süßstoffe scheinen das Mikrobiom deutlich zu verändern und auf Dauer auch den menschlichen Stoffwechsel negativ zu beeinflussen. Einige scheinen sogar das Krebsrisiko zu erhöhen.

Künstliche Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe sind ein komplexes Thema, wenn es um  das Mikrobiom geht. Auch auf Gewicht und Zuckerstoffwechsel scheinen sich einige Süßungsmittel ungünstig auszuwirken. Süßstoffe werden zum größten Teil nicht im Darm resorbiert – deshalb tragen sie auch nichts zur Kalorienbilanz bei. Das hört sich in den Ohren aller, die abnehmen wollen, recht gut an. Die Versprechungen sind auch zu verlockend: Süße Limos trinken, ohne dem Körper eine einzige Kalorie zuzuführen oder ohne schlechtes Gewissen einen süßen Ersatz für die Zuckerstückchen im Kaffee verwenden.

Süßstoffe können Übergewicht fördern

Doch Vorsicht: Kalorienreduzierte, mit Zuckerersatz gesüßte „Diät“-Lebensmittel stören häufig die Balance und können sogar Übergewicht fördern! Große epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass der Austausch von Zucker durch künstliche Süßstoffe definitiv nicht beim Abnehmen hilft. Es mag paradox klingen, aber statt der gewünschten Gewichtsabnahme scheint der kalorien- und zuckerfreie Süßstoff Übergewicht und Zuckerkrankheit sogar noch zu fördern. In den USA fällt die steigende Zahl übergewichtiger Menschen zeitlich zusammen mit der zunehmenden Verbreitung von Getränken und Lebensmitteln, die mit Süßstoffen wie Aspartam oder Sucralose gesüßt wurden.  In einer Studie wurden Gewicht und Zuckerstoffwechsel von 381 Personen untersucht, die nicht unter Diabetes litten und auch sonst gesund waren. Das erschreckende Ergebnis: Die Teilnehmer, die angaben, regelmäßig Süßstoffe zu verzehren, brachten mehr Gewicht auf die Waage und wiesen häufiger Marker auf, die auf eine beginnende Zuckerkrankheit hinweisen.

Eine aktuelle französische Kohortenstudie wies nach, dass der regelmäßige Konsum der der Süßstoffe Aspartam (E951) und Acesulfam-K (E950) mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht. Dazu werteten sie die Daten von 102.865 Erwachsenen aus der NutriNet-Santé Studie aus. Für Aspartam ließ sich vor allem ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs und Krebserkrankungen, die durch Übergewicht begünstig werden, belegen. https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1003950

Süßstoffe – bittere Kost fürs Mikrobiom

Unter dem Begriff „Süßungsmittel“ werden Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Xylit oder Erythrit und Süßstoffe wie Aspartam, Sucralose oder Stevia zusammengefasst. Insgesamt sind in der EU derzeit 19 Süßungsmittel zugelassen. Da die einzelnen Süßungsmittel chemisch völlig unterschiedlich aufgebaut sind, kann man nicht generell sagen, dass Süßungsmittel gut oder schlecht fürs Mikrobiom sind. Auf jedes Süßungsmittel reagiert das Mikrobiom offensichtlich anders.

Allerdings ist die Studienlage zur den Auswirkungen eines regelmäßigen Konsums von Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen recht dünn. Die meisten Studien sind als Tierversuche angelegt. Allerdings bestätigen die wenigen Untersuchungen an menschlichen Probanden die Ergebnisse aus den Studien an Mäusen und Ratten. Prinzipiell sollten so wenig Süßungsmittel wie möglich verwendet werden. Nicht immer lassen sich aber Süßstoffe in unserer modernen Ernährung komplett vermeiden. In diesem Fall sollte zu Süßungsmitteln gegriffen werden, die keine bzw. tendenziell günstige Effekte aufs Mikrobiom haben.

Süßstoffe und deren Wirkung aufs Mikrobiom

Im Verdauungstrakt bewirken einige Süßstoffe und Zuckerersatzstoffe grundlegende Veränderungen. Je nach Produkt können sie die Balance des Mikrobioms durcheinander bringen, bestimmte Bakteriengruppen stärker im Wachstum fördern als andere oder Reizdarmbeschwerden begünstigen. Studien zeigen, dass viele künstliche Süßstoffe eine Glukoseintoleranz hervorrufen, also die Verwertung von Zucker stören und zu Gewichtsproblemen führen können, indem sie die Darmflora verändern.

Acesulfam K

Die Wirkung von Acesulfam K (E 950) auf das Mikrobiom wurde in zwei Tierstudien untersucht. Die Ergebnisse sind nicht eindeutig. In der ersten Studie erhielten Mäuse Acesulfam K in einer Dosierung, die der entspricht, die wir maximal über eine süßstoffreiche Ernährung zu uns nehmen. Hier ließen sich wenige bis keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora von Mäusen, die Acesulfam K erhielten, verglichen mit denen, die keinen Süßstoff bekamen, feststellen. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28587159/  Ein andere Studie verwendete hingegen Dosen, die die Menge des üblichen menschlichen Verzehrs um mehr als das Doppelte übertrafen – und dann ließen sich auch Verschiebungen des Mikrobioms feststellen. Bakterien aus der Gruppe der Bacteroides nahmen deutlich zu, Lactobazillen (Milchsäurebakterien) und Clostridien nahmen ab. Vor allem die männlichen Mäuse nahmen durch die Aufnahme der kalorienfreien Süßstoffe auch noch ordentlich an Gewicht zu. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28594855/

Aspartam

Aspartam (E 951) ist ein Süßstoff, der sich aus den Aminosäuren Asparaginsäure und Phenylalanin zusammensetzt. Obwohl dieser Süßstoff weit verbreitet ist, gibt es aktuell nur wenige Studien, die die Auswirkungen von Aspartam auf die Zusammensetzung der Darmflora untersucht haben. Eigentlich sollte Aspartam keinen Einfluss auf die Bakterien im Dickdarm haben, da es bereits im Dünndarm abgebaut wird. Eine Studie an Nagern zeigt aber, dass auch Aspartam selbst in niedrigen Dosierungen Effekte auf Stoffwechsel und Mikrobiom hat. Ratten wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Sie erhielten 8 Wochen lang entweder ein Standardfutter oder eine fettreiche Ernährung. In jeder Gruppe gab es Tiere, die nur normales Trinkwasser oder nur mit Aspartam angereichertes Wasser bekamen.

Obwohl die Nager, die Aspartam erhielten, weniger Kalorien zu sich nahmen und weniger Körperfett aufwiesen, erhöhte Aspartam in beiden Diäten den Blutzuckerspiegel und begünstigte eine Insulinresistenz. Ihre Stoffwechsellage kippte in Richtung Zuckerkrankheit. Bei Tieren, die Aspartam erhielten, ließen sich zudem ungünstige Veränderungen in der mikrobiellen Zusammensetzung  feststellen. Aspartam begünstigte offensichtlich das Wachstum von Enterobakterien und bestimmten Clostridien. Enterobakterien gehören zu einer Gruppe von Darmkeimen, die Entzündungen verursachen können. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25313461/

Sucralose

Sucralose (E 955) ist ein weit verbreiteter Süßstoff, der die 600-fache Süßkraft von Haushaltszucker besitzt.  Auch von Sucralose ist inzwischen bekannt, dass sie die Darmflora verändert und sich Metaboliten, also Abbauprodukte von Sucralose im Fettgewebe einlagern und sogar über die Muttermilch an den Säugling weitergegeben werden. Im Tierversuch war die Sucralose noch etwa 11 Tage im Körper und im Stuhl nachweisbar. Mit entsprechenden Folgen: US-amerikanische Forscher wiesen nach, dass unter Sucraloseeinfluss die Zahl gesunder, schlankmachender Darmbakterien sinkt. Das ließ sich auch im Tierversuch nachweisen: Der Konsum von Sucralose verringerte die Gesamtzahl wichtiger Darmbakterien wie Bifidobakterien, Laktobazillen, Bacteroides und Clostridien. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18800291/

Saccharin

In einem kleineren Experiment mussten sieben gesunden Teilnehmer, die normalerweise keine künstlichen Süßstoffe verwenden, eine Woche lang Kaffee und Nachspeisen mit Saccharin (E 954) süßen. Bei vier von sieben Personen verschlechterte sich dadurch der Zuckerstoffwechsel messbar – auf Dauer würden diese Befunde zu einer Zuckerkrankheit führen. Bei diesen vier Personen war auch die Darmflora deutlich verändert. Übertrug man nun diese Keime auf Mäuse, entwickelten sie die gleichen Stoffwechselstörungen. Erhielten die Tiere selbst Saccharin, dann hemmte der Süßstoff das Wachstum von mindestens 6 Bakterienstämmen wie Milchsäurebakterien und E. coli.  https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/60139/Suessstoffe-Studie-belegt-Stoerung-von-Darmflora-und-Glukosestoffwechsel

Stevia

Der Stevia-Süßstoff (E 960) wird aus dem südamerikanischen Strauch Stevia rebaudiana gewonnen. Dieser Süßstoff wird am effektivsten durch die Bacteroides-Bakterien, die bei schlanken Menschen häufiger vorkommen, verstoffwechselt. Andere Bakterien wie Laktobazillen, Bifidobakterien, Clostridium, Kolibakterien und Enterokokkenarten können Stevia hingegen nicht nutzen.  https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14558786/  Die Wurzeln des Steviastrauchs enthalten zudem Inulin und Fruktane, also effektive Präbiotika, die bestimmte nützliche Bakterien fördern können. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27516323/

Süßstoffe Erythrit, Sorbit und Mannit

Diese drei Süßstoffe haben offensichtlich keine Effekte auf das Mikrobiom. Sorbit kann aber bei der Zufuhr größerer Mengen abführende Wirkung haben und bei empfindlichen Personen auch zu Bauchschmerzen und Blähungen führen. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Reizdarm sind Sorbit und Erythrit problematisch und sollte gemieden werden. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6363527/#bib58

Xylit

Xylit (E 967) zählt wie auch Erythrit, Sorbit, Mannit und andere zu den Zuckeralkoholen und wird unter anderem in zuckerfreien, zahnfreundlichen Bonbons und Kaugummis verwendet

Im Tierversuch sank unter Xylit die Zahl der Bacteroidetes-Bakterien. Bakterien aus der Gruppe der Firmicutes und Prevotella nahmen zu. Dieses Verhältnis (wenige Bacteroidetes, viele Firmicutes) findet man häufig bei Menschen mit Gewichtsproblemen und „guten Futterverwertern“. Interessant ist aber die Kombination von Xylit plus probiotische Milchsäurebakterien. In einer Untersuchung an Hamstern (leider wieder nicht an Menschen) schützte diese Kombination die Nager gut vor einer Infektion mit dem gefährlichen Darmkeim. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9839563/

Lactit, Isomalt, Maltit

Die Zuckeraustauschstoffe (Polyole) Isomalt (E 953) und Malti (E 965) fördern bei menschlichen Probanden das Wachstum gesunder Bifidobakterien und haben präbiotische Wirkungen, können also von bestimmten Darmbakterien als Nahrung genutzt werden. Andere klinische Studien am Menschen weisen jedoch darauf hin, dass Lactit (E 966) die Zahl der Bacteroides und Eubakterien, beides sehr nützliche Bakterienarten senkt und auch Clostridium E. coli Bakterien nehmen ab. Daneben reget Lactit die Bildung von Butyrat, einem wichtigen und entzündungshemmenden Stoffwechselprodukt, im Darm an. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6363527/