Aktuelles Darmgesundheit

Leberverfettung durch eine Störung des Mikrobioms – wenn der Darm zum Braukessel wird

Die Leber steht in enger Verbindung zum Geschehen im Darm. Ist das Mikrobiom aus der Balance geraten, kann dadurch auch die Leber, z.B. durch Leberverfettung, in Mitleidenschaft gezogen werden.

Alkoholische Leberverfettung durch eigenständige Alkoholproduktion im Darm („Auto-Brewery Syndrome“)

Alkohol im Übermaß ist schädlich für die Leber. Bei langfristigem, starken Konsum von Hochprozentigem kommt es zu Leberschäden, die sich zunächst in einer Leberverfettung zeigen. Diese kann aber langfristig in eine Leberzirrhose übergehen. Ist die Leber erst einmal stark geschädigt, kann sie ihre Entgiftungsfunktion nicht mehr ausreichend erfüllen. Doch obwohl man eine alkoholbedingte Fettleber in der Regel mit einem regelmäßigen Genuss alkoholischer Getränke in Verbindung bringt, gibt es auch vereinzelt Fälle, in denen die selbst Darmflora zu einer Art „Braukessel“ wird und selbst aus Kohlenhydraten Alkohol vergären kann.

Dieses Phänomen bezeichnet man als „Auto-Brewery Syndrome“, was übersetzte „Eigenbrauer-Syndrom“ bedeutet. Häufig ist eine starke Vermehrung von Hefepilzen im Darm wie Candida-Arten oder Saccharomyces cerevisiae schuld. Saccharomyces cerevisiae sind Bierhefen, die im Darm das Gleiche machen wie im Bier, nämlich Kohlenhydrate in Alkohol zu verwandeln. Diese Bierhefen lassen sich in geringen Mengen bei vielen Menschen im Darm nachweisen. Man nimmt sie zum Beispiel auf durch den Genuss von Hefeweizen oder auch mit Medikamenten, die die Hefepilze gezielt bei Durchfallerkrankungen einsetzen. Ein gesundes Mikrobiom verhindert, dass sich diese Hefepilze zu stark ausbreiten. Deshalb schützt eine gut balancierte Darmflora auch vor dem „Eigenbrauer-Syndrom“ und somit auch vor Leberschäden.

Antibiotikatherapien fördern Vermehrung von Hefepilzen

Sind die Bedingungen für die Hefepilze aber günstig, dann beginnen sie zu wuchern. Nicht selten ist eine Antibiotikatherapie vorausgegangen, die die Ausbreitung der Hefepilze gefördert hat. Die Betroffenen weisen, wenn sie viele Bierhefen im Darm haben, dann auch ohne Alkoholgenuss ständigen einen erhöhten Blutalkoholspiegel auf und können „betrunken“ wirken. Der ständige Nachschub von „selbst gebrautem“ Alkohol schädigt auf Dauer die Leber, die ihn immer wieder abbauen muss. Ein Nachweis der Hefepilze im Stuhl oder der Stoffwechselprodukte der Hefepilze im Urin kann helfen, die Diagnose zu sichern. Typisch ist das Auftreten der Symptome nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit. Je mehr Kohlenhydrate gegessen werden, desto höher steigt der Alkoholpegel im Blut. Auch das kann man gezielt messen, indem nach vor und nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit der Blutalkoholspiegel gemessen wird. Die Hefepilze, die für das „Eigenbrauer-Syndrom“ verantwortlich sind, lassen sich auch mit Hilfe einer Mikrobiomanalyse nachweisen.

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Mikrobiomanalyse

Mikrobiominfo zur „Alkoholischen Leberverfettung durch eigenständige Alkoholproduktion im Darm“ („Eigenbrauer-Syndrom“)

Lässt sich der Hefepilz Saccharomyces cerevisiae (Saccharomyces boulardii) in großer Zahl in der Mikrobiomanalyse nachweisen und bestehen entsprechende Symptome, dann lässt sich diese Erkrankung gut mit einem Antimykotikum, also einen Anti-Pilz-Medikament behandeln. Bitte hierzu Rücksprache mit dem Arzt nehmen. Parallel dazu sollten Kohlenhydrate für einige Zeit gemieden bzw. deutlich reduziert werden. Bis die Behandlung abgeschlossen ist, sollte auch Alkohol gemieden werden, um eine weitere Schädigung der Leber zu verhindern.

Nicht-alkoholische Leberverfettung (non-alcoholic steatohepatitis – NASH) durch Fäulnisbakterien

Nicht immer liegt es aber an einem übermäßigen Alkoholkonsum oder „biwerbrauenden Bakterien“ im Darm, wenn die Leberwerte erhöht sind und die Leberfunktion beeinträchtigt ist. Auch bei völliger Abstinenz können Übergewicht, Bewegungsmangel und eine ungesunde, fett- und kohlenhydratreiche Ernährung, vor allem die Aufnahme großer Mengen Fruktose (Fruchtzucker), die Entstehung einer Fettleber begünstigen. Der erste Schritt, um die Leber zu regenerieren, ist es deshalb Gewicht abzubauen und vor allem auch die Fruktoseaufnahme zu verringern. Fruchtzucker findet man nicht nur in Obst und Fruchtsäften. Softdrinks enthalten sehr viel Fruktose und überall, wo Haushaltszucker enthalten ist, ist auch Fruchtzucker drin, denn der übliche Zucker besteht zu 50 Prozent aus Fruktose.

Inzwischen konnte man in zahlreichen Studien aber noch eine andere Ursache für die Entstehung der „Nicht-alkoholischen Leberverfettung“ nachweisen. Offensichtlich bestehen Verbindung zwischen Darmbakterien und der Entwicklung von Lebererkrankungen und Leberschädigung. Vor allem eine starke Beeinträchtigung der Darmflora (Dysbiose) verursacht eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut  für Bakterientoxine (Lipopolysaccharide (LPS)) und ruft dadurch chronische Entzündungen hervor. Wie stark die Durchlässigkeit der Darmbarriere für das Bakteriengift LPS ist, lässt sich mit einer Analyse des Zonulinwertes in einer Stuhlprobe überprüfen.

Daneben spielen auch „Fäulnisbakterien“ bei der Entstehung der nicht-alkoholischen Leberverfettung eine Rolle. Sie verwerten vor allem Eiweiß und vermehren sich durch eine eiweißreiche und ballaststoffarme Ernährung. Bei der Eiweißverwertung bilden die Bakterien Ammoniak und andere schädliche Stoffwechselprodukte. Die Leber ist bekanntermaßen zuständig für den Abbau giftiger Stoffe, auch das von Fäulnisbakterien produzierte Ammoniak zählt dazu. Befinden sich zu viele Fäulnisbakterien im Darm, dann ist die Leber auf Dauer mit der „Entgiftung“ überfordert und nimmt selbst Schaden. Deshalb können auch Menschen, die nie einen Tropfen Alkohol anrühren, durch die „falschen“ Bakterien Leberschäden bekommen.

Mikrobiominfo zur „Nicht-alkoholischen Leberverfettung“ (NASH)

Bei der nicht-alkoholischen Leberverfettung findet man in der Mikrobiomanalyse zu viele Fäulnis- und LPS-Keime. Zu dieser Keimgruppe zählen Bakterien wie Escherichia coli, Citrobacter, Enterobacter, Klebsiella, Pseudomonas, Sutterella, Providencia, Serratia. Außerdem sind oft Bacteroidetes und Ruminococcus erhöht und es besteht ein Mangel an Bakterien aus der Gruppe der Prevotella. All diese Werte lassen sich mit Hilfe einer Mikrobiomanalyse nachweisen. Sind die Werte erhöht, dann ist es hilfreich, weniger tierisches Eiweiß und mehr Ballaststoffe zu essen, um die Darmflora wieder in eine gesunde Balance zu bringen.

Daneben scheinen auch bestimmte probiotische Bakterien die Leber bei ihrer Arbeit zu unterstützen und der NASH entgegenzuwirken. Spanische Wissenschaftler stellten in einer Tierstudie fest, dass probiotische Bakterienstämme wie Lactobacillus paracasei, Bifidobacterium breve und Lactobacillus rhamnosus die Fetteinlagerungen in der Leber deutlich reduzieren konnten. Eine chinesische Studie konnte die Lebergesundheit von Patienten messbar verbessern durch Lactobacillus plantarum, Lactobacillus delbrueckii, Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus rhamnosus and Bifidobacterium bifidum. Prinzipiell scheint eine ausgewogene und hochdosierte Mischung von Milchsäurebakterien sich günstig auf die Funktion der Leber auszuwirken.

Achtung: Bei einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), die gelegentlich mit Lebererkrankungen zusammen auftritt, sollten keine Probiotika eingenommen werden.

Literatur

Lee, NY et al (2021) Lactobacillus attenuates progression of nonalcoholic fatty liver disease by lowering cholesterol and steatosis. Clin. Mol. Hepatol. 27, 110–124. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7820205/

Meroni M, Longo M, Dongiovanni P (2019) The Role of Probiotics in Nonalcoholic Fatty Liver Disease: A New Insight into Therapeutic Strategies. Nutrients. 11(11):2642. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6893730/

Yau, YF et al (2020) Lactobacillus rhamnosus GG and Oat Beta-Glucan Regulated Fatty Acid Profiles along the Gut-Liver-Brain Axis of Mice Fed with High Fat Diet and Demonstrated Antioxidant and Anti-Inflammatory Potentials. Mol. Nutr. Food Res.  64, 2000566. https://www.mdpi.com/1422-0067/23/6/3167/htm

Wong VW, Won GL, Chim AM et al. (2013) Treatment of nonalcoholic steatohepatitis with probiotics. A proof-of-concept study. Ann Hepatol. 12(2):256-62. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23396737/#affiliation-1