Aktuelles Darmgesundheit

Leaky gut – ist meine Darmbarriere noch ganz dicht?

Für das leaky gut Syndrom beginnt sich die Wissenschaft gerade erst zu interessieren. Man bezeichnet damit eine Störung der Darmbarriere, die weitreichende Folgen für den gesamten Körper haben kann.

Was ist eigentlich ein Leaky gut?

Leaky gut bedeutet übersetzt „löchriger Darm“. Darunter versteht man eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmbarriere. Die intakte Darmbarriere stellt einen Schutzwall dar, über den unser Organismus mit der Umwelt in Verbindung steht. Tag für Tag strömen große Mengen Nahrung, potentiell schädliche Stoffe aus der Umwelt sowie Billionen von Bakterien durch unseren Darm. Die Darmbarriere entscheidet, was wir davon aufnehmen und was ausgeschieden wird. Wichtigen Nährstoffen und Botenstoffen wird der Zugang zum Körperinneren ermöglicht, unerwünschte Eindringlinge, Allergene oder andere schädliche Stoffe aber weitgehend fernhält. Dieses darmeigene Sicherheitssystem ist im gesunden Zustand sowohl durchlässig für alles, was in den Körper gelangen muss, als auch absolut dicht für alles andere. Dadurch verhindert eine intakte Darmbarriere, dass zum Beispiel Bakterien aus dem Darm in direkten Kontakt mit den Immunzellen in der Darmschleimhaut kommen oder sogar bis in den Körper vordringen.

Leaky gut Syndrom – Ursache unklarer Beschwerden?

Inzwischen gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege dafür, dass eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmbarriere gesundheitliche Folgen haben kann. Die Beschwerden, die durch ein Leaky-Gut-Syndrom hervorgerufen werden, sind vielfältig. Fast immer liegen ihnen aber Entzündungen und Störungen des Immunsystems zugrunde, verursacht durch den Übertritt von Bakterienbestandteilen oder anderen Substanzen aus dem Darm in die Darmschleimhaut oder sogar in den Blutkreislauf. Stoffwechselstörungen wie Übergewicht, Zuckerkrankheit und erhöhte Blutfettwerte, Allergien und Autoimmunerkrankungen (Hashimoto u.a.) sowie psychische Beschwerden wie Depressionen und Ängste oder ein chronisches Müdigkeitssyndrom gehen häufig mit einem Leaky-Gut-Syndrom einher.

Die Darmbarriere als Schutzwall

Die gesunde Darmbarriere ist ein komplexes Gefüge. Verantwortlich für deren Stabilität sind

  • eine schützende Darmflora. Diese wird auch als „Mikrobiom“ bezeichnet und stellt mit rund 100 Billionen Bakterien ein komplexes Ökosystem in unserem Verdauungstrakt dar. Eine Störung des Mikrobioms, zum Beispiel durch Antibiotika, eine ballaststoffarme Ernährung, Stress oder andere Faktoren, zieht oft auch die Darmbarriere in Mitleidenschaft und begünstigt ein leaky gut Syndrom. Besonders wichtig für eine stabile Barriere sind die Butyrat produzierenden Bakterien sowie deren Stoffwechselprodukt, die Buttersäure (Butyrat)
  • die Schleimschicht (Mucus) liegt der Darmschleimhaut auf und besteht aus zwei Schichten. Die eine haftet ziemlich fest an den Darmschleimhautzellen und verhindert, dass die Darmbakterien zu dicht an die Darmschleimhaut herankommen. Die andere ist lockerer und stellt einen Lebensraum für Mikroorganismen dar, die in dieser Schleimschicht Nahrung und halt finden. Zudem erleichtert die Schleimschicht das Vorbeigleiten des Darminhaltes.
  • die Darmschleimhaut. Unter der Schleimschicht liegen die Zellen des Darmepithels dicht an dicht. Die Darmschleimhaut ist ähnlich aufgebaut wie eine Ziegelmauer. Der „Mörtel“, der sie zusammenhält, besteht aus druckknopfartigen Verbindungen. Diese Druckknöpfe werden als Tight Junctions (enge Verbindungen) bezeichnet und stellen die eigentliche Grenze zwischen dem Darminhalt und dem Körperinneren dar. Hier wird entschieden, was in den Organismus geschleust wird und was nicht in den Körper darf.
  • Die tight Junctions: Normalerweise sind die Druckknopfverbindungen zwischen den Zellen fest geschlossen. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, dass die Zellen mit druckknopfartigen Verbindungen, den sogenannten „Tight Junctions“, miteinander verkoppelt sind. Doch die Darmbarriere darf keine unpassierbare Grenze sein, sondern muss über einen cleveren Öffnungs- und Schließmechanismus verfügen. Sie sollte einerseits durchlässig sein für alles, was in den Körper gelangen muss, andererseits absolut dicht für alles andere.
  • Butyrat: Ein Teil dieses Schließsystems wird durch Botenstoffe geregelt. Das bereits erwähnte Butyrat ist ein wichtiger Teil dieses Sicherheitskonzepts. Es festigt die „Druckknopf-Verbindungen“ zwischen den Zellen und versiegelt auf diese Weise die Darmbarriere.
  • Zonulin: Der Butyratgegenspieler ist Zonulin. Er kann die Tight junctions öffnen. Normalerweise entsteht dadurch nur ein schmaler Spalt. Winzige Nahrungsbestandteile können dann diesen Schleichweg in den Körper nutzen. Doch bereits bei einer leichten Störung der Darmflora (Dysbiose) kommt das Gleichgewicht durcheinander. Dann produziert die gestörte Darmflora weniger Buttersäure und die ausgehungerten Darmzellen bilden mehr Zonulin. Diese Konstellation führt zu einer deutlich erhöhten Durchlässigkeit des Schutzwalls, die eine ganze Kaskade an negativen Folgen auslösen kann. Ob ein „Leaky-Gut-Syndrom“ vorliegt, lässt sich anhand des Zonulinspiegels im Stuhl überprüfen.

Was kann man beim Leaky-Gut-Syndrom tun?

Diagnostizieren lässt sich ein Leaky-Gut-Syndrom mithilfe einer Stuhlprobe. Dabei werden die Marker Zonulin und Alpha-1-Antitrypsin bestimmt. Sind beide Marker im Normalbereich, kann ein Leaky-Gut-Syndrom weitgehend ausgeschlossen werden. Sind die Werte erhöht, dann sollten Sie die folgenden Punkte berücksichtigen.

  • Butyratbildende und schleimhautschützende Bakterien stärken. Das geht am besten mithilfe präbiotischer Ballaststoffe wie resistenter Stärke und Inulin. Auch Omega-3-Fettsäuren und pflanzliche Proteine aus Hülsenfrüchten und Nüssen stärken diese Mikroorganismen.
  • Nahrungsmittelzusatzstoffe reduzieren. Vor allem Emulgatoren, die in Nahrungsmitteln Fett wasserlöslich machen, schaden der Darmbarriere. Emulgatoren stehen im Verdacht, auch die Schleimschicht des Darms wasserlöslich zu machen und dadurch zu verdünnen. Sie verstecken sich auf der Liste der Inhaltsstoffe hinter den E-Nummern E-430 bis E-499.
  • Mit Probiotika die Darmflora unterstützen. Eine Dysbiose begünstigt ein Leaky-Gut-Syndrom. „Gute“ Bakterien (Bifidobakterien, Lactobazillen) aufzufüllen, unterstützt und beschleunigt deshalb die Reparaturarbeiten an der Darmbarriere.
  • Gluten reduzieren. Es gibt Hinweise, dass dieses Klebereiweiß, das man in zahlreichen Getreidesorten findet, die Zonulinfreisetzung anregen und die Verbindungen zwischen den Darmzellen lockern kann. Sie müssen glutenreiche Getreide nicht völlig meiden, sollten die Aufnahme aber vorübergehend reduzieren. Eine dauerhafte glutenfreie Ernährung ist aus Sicht des Mikrobioms aber nicht sinnvoll.
Glutenreiche Getreidesorten bzw. die daraus zubereiteten Mehle:

Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Grünkern, Couscous, Bulgur, Emmer.

Glutenarme Getreidesorten, Nüsse und Kerne und die daraus zubereiteten Mehle:

Amaranth, Hirse, Mais, Reis, Buchweizen, Hafer (nur spezielle Sorten, das ist in den Produktinformationen vermerkt), Quinoa, Kartoffeln, Mandeln und Mandelmehl, Kokos und Kokosmehl, Teff (äthiopisches Getreide), Maniok, Maronen, Sago, Guarkernmehl, Tapioka und Soja.

Quellen

Camilleri M. Leaky gut: mechanisms, measurement and clinical implications in humans. Gut. 2019 Aug;68(8):1516-1526. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6790068/

Fasano A. All disease begins in the (leaky) gut: role of zonulin-mediated gut permeability in the pathogenesis of some chronic inflammatory diseases. F1000Res. 2020 Jan 31;9:F1000 Faculty Rev-69. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6996528/

Rohr MW, Narasimhulu CA, Rudeski-Rohr TA, Parthasarathy S. Negative Effects of a High-Fat Diet on Intestinal Permeability: A Review. Adv Nutr. 2020 Jan 1;11(1):77-91. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31268137/