Cholesterinsenker – Wirksamkeit abhängig von Darmflora
Cholesterinsenker (Statine) können ihre volle Wirksamkeit nur im Zusammenhang mit einer gesunden Darmflora (Mikrobiom) entfalten. Darmbakterien sind notwendig, um die Arzneistoffe in wirkungsvolle cholesterinsenkende Metaboliten umzuwandeln. Hohe Cholesterinspiegel stellen einen Risikofaktor für Arterienverkalkung dar. Wenn eine Ernährungsumstellung nicht ausreicht, werden normalerweise cholesterinsenkende Medikamente eingesetzt. Cholesterinsenker zählen weltweit zu den meistverkauften Medikamenten.
In Mitteleuropa werden vor allem Statine verordnet. Sie blockieren ein Enzym mit dem umständlichen Namen „HMG-CoA-Reduktase“, wodurch die körpereigene Cholesterinbildung in der Leber gebremst wird. Es entsteht ein Cholesterinmangel, den die Zellen beheben, indem sie sich stärker am Cholesterin bedienen, das im Blut zirkuliert. Die gewünschte Folge: Das schädliche Fett wird aus dem Blut gefischt, der Cholesterinwert sinkt und häufig steigt der schützende HDL-Wert sogar etwas an. Leider sind Statine nicht nebenwirkungsfrei. Viele Patienten klagen über Muskelschmerzen, die sie im Alltag beeinträchtigen, und nicht alle können ihre erhöhten Blutfettwerte dadurch in einen sicheren Bereich bringen.
Darmflora macht Cholesterinsenker erst wirksam
Und jetzt kommt die Darmflora ins Spiel, die die Wirksamkeit der Cholesterinsenker stark beeinflusst. Nimmt man Statine ein, so sind diese zunächst wenig wirksam, denn sie stellen nur eine Vorstufe des eigentlichen cholesterinsenkenden Metaboliten dar. Statine müssen erst in wirksame Moleküle umgewandelt werden, und dabei spielt das Mikrobiom eine Schlüsselrolle. Wie gut und schnell diese Umwandlung stattfindet, hängt vom Zustand unserer Darmflora ab. Das lässt sich am Ansprechen der Patienten auf eine Statintherapie zeigen. Chinesische Forscher verabreichten 64 Personen mit deutlich erhöhten Blutfettwerten cholesterinsenkende Statine. Je nach Ansprechen teilte man die Patienten dann in zwei Gruppen.
In Gruppe 1 wurden die Probanden eingeordnet, die sehr schnell und sehr gut auf die Therapie ansprachen und schon nach vier Wochen normale Werte erreichten. In Gruppe 2 kamen die Teilnehmer, deren Cholesterinwerte trotz Therapie auch nach acht Wochen noch erhöht waren. Nun warfen die Wissenschaftler einen näheren Blick auf das Mikrobiom und konnten einen Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit von Statinen und der mikrobiellen Vielfalt im Darm der Patienten nachweisen: Eine abwechslungsreiche und gesunde Darmflora trug dazu bei, dass die Cholesterinspiegel rasch in den sicheren Bereich sanken. Auch mehr Milchsäurebakterien (Laktobazillen), Keime aus der Gruppe der Firmicutes und verschiedene butyratproduzierende Bakterien (Ruminococcus, Lachnospira u. a.) sorgten für eine bessere Wirksamkeit.
Cholesterinsenker – unwirksam durch Antibiotika?
Wenn man diese Zusammenhänge betrachtet, ist auch klar, was passiert, wenn die Darmflora zum Beispiel durch Antibiotikaeinnahme in Mitleidenschaft gezogen wird. Das ließ sich in Tierversuchen feststellen. Labormäuse oder -ratten erhielten zunächst eine cholesterinreiche Ernährung und anschließend cholesterinsenkende Medikamente. Bei einem Teil der Nager wurde die Darmflora mittels Antibiotika abgetötet. Diese Gruppe profitierte deutlich weniger von den cholesterinsenkenden Arzneimitteln. Auch bei Menschen lassen sich diese Zusammenhänge beobachten. Erhalten Patienten Antibiotika, verändert sich dadurch auch die Zusammensetzung des Mikrobioms. Die Keimzahl geht zurück und die Vielfalt vorübergehend verloren.
In Studien konnte nun nachgewiesen werden, dass auch bei diesen Patienten – je nach Art des Antibiotikums und Dauer der Einnahme – der Spiegel wirksamer Statinmetaboliten für einige Zeit sinkt und zwar um sage und schreibe 35% bis 60%. Eine längere Antibiotikatherapie macht Statine offensichtlich unwirksam mit möglicherweise fatalen Folgen: In dieser Zeit kann der Cholesterinspiegel wieder unbemerkt ansteigen und zu Gefäßschäden und Herzinfarkt führen, obwohl der Patient regelmäßig sein Medikament einnimmt.
Probiotische Bakterien putzen Cholesterin weg
Unsere Darmbakterien sind in der Lage, unsere Blutfettwerte niedrig und die Gefäße elastisch zu halten. In mehreren Studien ließen sich Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin, teilweise auch andere Fettwerte wie Triglyceride, allein durch die Gabe bestimmter probiotischer Bifido- und Milchsäurebakterien senken, während der schützende HDL-Cholesterinspiegel unter der Therapie häufig anstieg. In der Plazebogruppe, die nur ein wirkungsloses Scheinmedikament erhielt, blieben diese positiven Effekte aus.
Spanische Wissenschaftler verabreichten 60 Erwachsenen mit unterschiedlich hohen Cholesterinspiegeln entweder Probiotika oder ein wirkungsloses Plazebo. Nach 12 Wochen waren die Cholesterinspiegel und der Anteil des besonders schädlichen oxidierten Cholesterins bei den Studienteilnehmern, die täglich mit dem Milchsäurebakterium Lactobacillus plantarum versorgt wurden, deutlich gesunken. Und anders als die meisten Medikamente gegen hohe Blutfettwerte, „dachten“ die Bakterien offensichtlich mit: Je höher der Cholesterinspiegel zu Beginn der Studie war, desto stärker waren die Effekte auf die Blutfettwerte. Das bedeutet, je nötiger jemand die Cholesterinsenkung aufgrund seiner Werte hat, desto mehr kann er von den probiotischen Keimen erwarten.
Dieser Text wurde entnommen aus dem Buch „Gesund mit Darm“, Südwest Verlag, 2020
Wissenschaftliche Quellen
Liu Y, Song X et al (2018) Gut Microbiome Associates With Lipid-Lowering Effect of Rosuvastatin in Vivo. Front Microbiol 9: 530 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5874287/
Yoo DH, Kim IS, Van Le TK et al. (2014) Gut microbiota-mediated drug interactions between lovastatin and antibiotics. Drug Metab Dispos. 42(9):1508–1513 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24947972 Zimmermann FL, Schmidt D, Escher U et al. (2018) Role of the gut microbiota for the cholesterol lowering ef