Können probiotische Bakterien die Krebstherapie unterstützen?
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler viele neue Erkenntnisse über die Entstehung, Metastasierung und Wachstum von Tumoren gewinnen können. Wie eine Krebserkrankung verläuft, hängt von bestimmten verschiedenen Faktoren wie der „Mikroumgebung“ des Tumors ab. Wichtig ist auch die Fähigkeit (oder Unfähigkeit) des Immunsystems, entartete Zellen aufzuspüren und zu bekämpfen. Derzeit konzentriert man sich – neben der Entwicklung neuer Therapieansätze (Krebstherapie) – darauf, Substanzen zu finden, die vor allem verhindern, dass sich Tumorzellen im Körper absiedeln, also Metastasen bilden. Interessant sind in diesem Zusammenhang bestimmte probiotische Bakterien.
Darunter versteht man gesunde Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien (Lactobazillen) oder Bifidobakterien, die unsere Darmflora optimieren, die Abwehrkräfte stärken, unseren Stoffwechsel beeinflussen und auch unsere Stimmung verbessern können. In jüngster Zeit sind sie auch noch aus einem anderen Grund in den Fokus gerückt. Offensichtlich besitzen sie vielseitige „Antikrebseigenschaften“. Und die kann man sich zunutze machen, sowohl in der Prävention von Tumorerkrankungen als auch zur Unterstützung der Krebstherapie
Tumor-Mikroumgebung – dort wo die bösen Zellen wohnen
Entscheidend für Tumorwachstum oder -hemmung sind nicht nur die entarteten Zellen selbst, sondern vor allem auch deren direkte Umgebung. Denn die Tumorzelle lebt nicht allein, sondern sie ist in das Gewebe der Umgebung eingebettet. In der Mikroumgebung des Tumors gibt es Blutgefäße, die die Krebszellen mit Nahrung versorgen, Lymphgefäße sowie Fettzellen und Bindegewebszellen. Und dieses Tumorumfeld trägt entscheidend dazu bei, ob es den Zellen gelingt, vom Immunsystem unbehelligt zu wachsen und zu metastasieren oder ob deren Ausbreitung gebremst werden kann. Diese so genannte Mikroumgebung ist quasi das Versteck des Tumors. Und je nachdem, wie gut dieses Umfeld die Krebszellen absichert, fällt es den Abwehrzellen leichter oder schwerer, gegen sie vorzugehen.
Zu einem wichtigen Faktor im Tumorumfeld zählt auch die Fähigkeit der Krebszellen, Gefäße neu sprießen zu lassen. Tumorzellen sorgen nämlich selbst dafür, dass ihre Infrastruktur stimmt und sie gut versorgt werden. Deshalb regen sie die Gefäßneubildung, die so genannte „Angiogenese“ an. Die ständige Neubildung von Versorgungsstraßen stellt sicher, dass das wachsende Tumorgewebe immer genug Nährstoffe zur Verfügung hat. Die moderne Krebsmedizin versucht unter anderem dem Tumor diese Versorgungswege abzuschneiden, indem sie die Aussprossung von neuen Gefäßen verhindert.
Probiotische Bakterien verändern die Mikroumgebung
Die Tumormikroumgebung scheint in allen Stadien der Tumorentstehung eine bedeutende Rolle zu spielen und sie lässt ich interessanterweise durch probiotische Bakterien günstig beeinflussen. Probiotika waren zum Beispiel in der Lage, die Gefäßneubildung zu bremsen oder zu blockieren. Der Tumor bildet sich dann zwar nicht zurück, aber es fällt ihm enorm schwer, weiter zu wachsen.
Inzwischen gilt es als sicher, dass Probiotika sehr viele Mechanismen beeinflussen können, die an der Metastasierung beteiligt sind. Und auch die modernen Immuntherapien wirken besser, wenn die Darmflora intakt ist und parallel zur Krebstherapie oder in der Vorbereitungsphase bestimmte probiotische Bakterien verabreicht werden.
Im direkten Tumorumfeld findet man meistens Immunzellen, die aber oft nicht in der Lage sind, den Tumor anzugreifen und zu beseitigen. Vor allem in Tierstudien konnte man feststellen, dass die Fähigkeit von Lactobazillen, eine Metastasierung zu verhindern, vor allem auf deren Einfluss auf die Tumor-Mikroumgebung zurückzuführen ist. Lactobacillus casei war zum Beispiel in der Lage, die Entwicklung und das Wachstum von Lungen- und Lymphknotenmetastasen bei Mäusen und Meerschweinchen zu unterdrückt.
Ohne die Unterstützung einer gesunden Darmflora kann das Immunsystem nicht effektiv gegen Tumore vorgehen. Werden bestimmte probiotische Bakterien verabreicht, dann verbessert sich offensichtlich die Tumorabwehr. Anhand von Zellkulturen konnte gezeigt werden, dass eine Kombination mehrerer Bakterienstämmen bestimmte Abwehrzellen, die so genannten „Killerzellen“ aktivieren kann. Und diese Zellen machen dann das, was sie am besten können, nämlich die Tumorzellen killen. In dieser Mischung, die das Immunsystem aktivieren konnte, waren Streptococcus thermophilus, Bifidobakterium longum, Bifidobacterium breve, Bifidobakterium infantis, Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus plantarum, Lactobacillus casei und Lactobacillus bulgaricus enthalten.
Diese Studien weisen zumindest darauf hin, dass Probiotika geeignet sind, ein für die Tumorzellen ungemütliches Umfeld zu schaffen und eine Krebstherapie unterstützen.
Probiotika stärken den Zell-Zusammenhalt
Gesunde Zellen hängen eng zusammen und sind durch eine Art „Druckknopfverbindung“ (Tight junctions) aneinander geheftet. Dadurch können sie im Verbund arbeiten und Informationen austauschen. Entartet eine Zelle, dann wächst sie zunächst ungehemmt in diesem Zellverband. Doch nach und nach geht die Verbindung zu den anderen Zellen verloren, die Druckknöpfe lockern sich und die Tumorzelle kann sich aus dem Zellverband lösen. Der erste Schritt zur Metastasierung ist damit getan. Bestimmte biochemische Scheren, die so genannten „Matrix-Metallo-Proteinasen“ sind dann in der Lage, Gewebe abzubauen und den Tumorzellen so den Weg „freizuschneiden“.
Wenn es gelingt, einen oder mehrere dieser Schritte zu blockieren, dann lässt sich die Ausbreitung der Krebszellen verlangsam oder stoppen. Und hier kommen wieder die probiotischen Bakterien ins Spiel. Stoffwechselprodukte von Lactobacillus casei und Lactobacillus rhamnosus waren zum Beispiel in der Lage, das Einwandern von Darmkrebszellen in andere Gewebe zu blockieren. Das deutet darauf hin, dass diese beiden Milchsäurebakterien bioaktive Substanzen produzieren, die Metastasen möglicherweise verhindern könnten. Unter anderem ließ sich nachweisen, dass durch die Zugabe von Lactobacillus casei und Lactobacillus rhamnosus die Druckknopfverbindungen wieder gefestigt und die Enzymscheren blockiert wurden. Dadurch fällt es entarteten Zellen nicht mehr so leicht, aus dem Zellverband auszuscheren und sich an anderer Stelle im Körper nieder zu lassen.
Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus crispatus waren in einer anderen Studie ebenfalls in der Lage, die Enzymscheren zu blockieren und den Krebszellen den Saft abzudrehen, indem sie die Gefäßneubildung und die Versorgung der Krebszellen mit Zucker (Glukose) hemmten. Glukose ist das Futter, das Krebszellen für ihre Energiegewinnung benötigen. Werden Krebszellen vom Nachschub abgeschnitten, können sie sich nicht mehr so schnell ausbreiten.
Krebsstammzellen – die Wurzel allen Übels
Krebsstammzellen sind die gefährlichsten Zellen in einem Tumor, denn sie sie halten das Geschwür am Leben, indem sie für ständigen Nachschub an Krebszellen sorgen. Problematisch ist, dass sie gleichzeitig auch noch ziemlich unempfindlich gegenüber herkömmlichen Behandlungsverfahren wie Chemo- oder Strahlentherapien sind. Über bestimmte Mechanismen gelingt es ihnen immer wieder, ihre Umgebung so zu manipulieren, dass sie auch unter ungünstigen Bedingungen überleben und körpereigenen Abwehrmechanismen zu entkommen.
Aber auch hier können bestimmte Probiotika die Krebstherapie möglicherweise unterstützen. Allen voran das bereits erwähnte Milchsäurebakterium Lactobacillus rhamnosus. In Studien war es in der Lage, bestimmte Signalwege, über die Tumorstammzellen sich selbst erneuern und vermehren können, zu blockieren bzw. herunter zu regulieren.
Verabreichte man Mäusen, die besonders anfällig für Brustkrebs sind, das Milchsäurebakterium Lactobacillus brevis zusammen mit dem Spurenelement Selen, wurden die Abwehrzellen der Nager schlagkräftiger, sie überlebten länger und der Tumor siedelte sich seltener in anderen Organen ab.
Wie kann ich probiotische Bakterien nutzen, um die Krebstherapie zu unterstützen?
- Sprechen Sie mit Ihren behandelnden Ärzten. Viele sind neuen Therapieansätzen gegenüber aufgeschlossen
- Lassen Sie evtl. eine Darmflorauntersuchung durchführen, um herauszufinden, wie gut Ihr Mikrobiom aufgestellt ist
- Aber auch ohne Mikrobiomanalyse können Sie (bitte immer nach Rücksprache mit Ihren Ärzten) ein hoch dosiertes Probiotikum einnehmen. Dieses sollte mehrere der oben im Text aufgeführten wirksamen Bakterien enthalten und ausreichend hoch dosiert sein. Ideal sind rund 20 Mrd. Keime pro Tagesdosis. Ein gutes Probiotikum enthält auch noch präbiotische Ballaststoffe wie z.B. resistente Stärke, Inulin, Akazienfasern, Flohsamen etc.
- Während einer Chemotherapie oder einer Stammzelltransplantation, die mit einer starken Schwächung der Abwehr einhergehen, sollte man sehr vorsichtig mit probiotischen Bakterien sein. Bitte gerade in diesen Fällen nicht selbständig irgendein Präparat einnehmen, sondern besser abwarten, bis das Immunsystem sich wieder erholt hat.
Literatur Krebstherapie
Karczewski J, Troost FJ, Konings I, et al. (2010) Regulation of human epithelial tight junction proteins by Lactobacillus plantarum in vivo and protective effects on the epithelial barrier. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 298:G851–9 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20224007/
Motevaseli E, Dianatpour A, Ghafouri-Fard S (2017) The Role of Probiotics in Cancer Treatment: Emphasis on their In Vivo and In Vitro Anti-metastatic Effects. Int J Mol Cell Med. 6(2):66-76. (Krebstherapie) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5581548/
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