Darmflora unterstützt Krebstherapie
Darmbakterien können den Schalter nicht nur in Richtung Tumorhemmung oder Tumorwachstum umlegen. Sie sind auch im Kampf gegen Krebs hilfreich. Viele altbewährte Chemotherapeutika und auch die neuen Immuntherapien bekämpfen oft nur dann den Tumor wirkungsvoll, wenn die Darmflora gut aufgestellt und vielfältig ist. Schlagen die neu entwickelten Behandlungsoptionen nicht an, liegt es offenbar häufig an der Zusammensetzung der Darmflora. Denn Wissenschaftler konnten inzwischen nachweisen, dass die Darmflora nicht nur für die Krebsentstehung, sondern auch für den Erfolg einer Krebstherapie entscheidend sein kann. Offenbar müssen Immunzellen, die Krebszellen zerstören können, erst von bestimmten Darmkeimen dazu ermuntert werden. Ohne den bakteriellen „Tritt in den Hintern“ bleiben die Abwehrzellen träge und müde und der Tumor kann sich ausbreiten.
Moderne Krebstherapien erfolgreicher mit den richtigen Darmbakterien
Die meisten Daten über die Zusammenhänge zwischen Krebstherapie und Darmflora wurden bisher in Tierversuchen gewonnen. So ließen sich bei Mäusen mit schwarzem Hautkrebs die Therapieerfolge verbessern, wenn die Darmflora der Tiere reich an Bifidobakterien war. Auch viele Bacteroidetes im Darm schienen die körpereigene Abwehr gegen Tumorzellen scharfzumachen.
Erhielten Mäuse, die keine Darmflora besaßen, aber besonders anfällig für Tumore waren, das Mikrobiom von Patienten, die gut auf eine Immuntherapie ansprechen, dann verkleinerten sich unter der Behandlung auch bei den Nagern die Geschwüre rasch.
Aber auch bei menschlichen Krebspatienten sammelt man inzwischen Erfahrungen, wie das Mikrobiom die Therapieerfolge beeinflussen kann. Beim schwarzen Hautkrebs (Melanom) sind so genannte „Checkpoint-Inhibitoren“ vielversprechende Arzneimittel, denn sie helfen den Abwehrzellen dabei, dem Tumor zu erkennt und im Idealfall dauerhaft zu bekämpft. Doch bei jedem vierten Patienten mit metastasiertem Melanom wirkt aus bisher unerfindlichen Gründen diese neue Therapie nicht. Ein US-amerikanisches Forscherteam aus Houston, Texas untersuchte deshalb den Stuhl von über 100 Melanompatienten und stellten fest: Wer ein vielfältigeres Mikrobiom besitzt und im Idealfall auch noch zahlreiche Bakterien aus der Gruppe der Ruminococcus-Keime aufweist, hat gute Chancen, dass die Medikamente anschlagen und die Krankheit dauerhaft besiegt werden kann.
Auch bei der Behandlung anderer Krebsarten wie Blasen-, Lungen- und Nierenkrebs wird man zukünftig um das Mikrobiom nicht mehr herumkommen. Vor allem Patienten, die viele Akkermansia muciniphilia Bakterien beherbergten, sprachen bei diesen Erkrankungen gut auf Immuntherapien (Checkpoint-Inhibitoren) an. Wurden aber gleichzeitig Antibiotika verabreicht, kam es unter der Behandlung häufiger zu Rückfällen.
Antibiotika stören Darmflora und verschlechtern Wirksamkeit einer Krebstherapie
Checkpoint-Inhibitoren zählen zu den neuen, vielversprechenden Immuntherapeutika, die Krebszellen wieder für die Abwehrzellen sichtbar machen. Oft findet man im Tumorgewebe haufenweise Immunzellen, die aber wie betäubt sind und die entarteten Zellen nicht angreifen- Krebszellen können die körpereigene Abwehr nämlich ausbremsen und sich so vor der Immunabwehr schützen. Checkpoint-Inhibitoren lösen diese Bremse – und dann lassen sich erstaunliche Wirkungen erzielen. Aber nur, wenn das Mikrobiom mitspielt.
Krebs und Antibiotika
Seit kurzem mehren sich die Hinweise, dass sich Antibiotika ungünstig auf die Behandlung von Krebspatienten mit Checkpointhemmern auswirken. In einer britischen Studie erhielten 200 Tumorpatienten mit Metastasen diese neue Immuntherapie. Hatten sie im vorausgegangenen Monat Antibiotika erhalten, dann lebten sie trotz der wirkungsvollen Behandlung durchschnittlich nur noch zwei Monate. Ohne vorherige Antibiotikatherapie lag die durchschnittliche Lebenserwartung aber bei mehr als 2 Jahren (durchschnittlich 29 Monate).
Auch „Magentabletten“ so genannte „Protonenpumpenhemmer“ reduzieren die Wirksamkeit der Immuntherapie deutlich. In einer Untersuchung an mehr als 1500 Krebspatienten hatten diese die beste Prognose, die 30 Tage vor und 30 Tage nach Therapiebeginn weder Protonenpumpenhemmer noch Antibiotika erhielten. Beide Medikamente reduzierten die Überlebenswahrscheinlichkeit, am geringsten war die Lebenserwartung, wenn beide Medikamente eingenommen wurden. Wichtigste Maßnahme ist demnach, vor der Behandlung mit Immuntherapeutika diese Arzneimittel – nach Rücksprache mit dem Arzt – abzusetzen, ansonsten kann man sich die normalerweise hochwirksame Therapie mit Checkpointhemmern sparen.
Patienten mit Blutkrebs, in deren Därmen sich besonders viele Bakterien der Art Eubacterium limosum tummeln, sind besser vor einem Fortschreiten der Erkrankung oder vor Rückfällen geschützt, als Leukämiekranke, denen der Keim fehlt.
Die Darmbakterien Enterococcus hirae und Barnesiella intestinihominis verstärken hingegen die krebshemmende Wirkung des Chemotherapeutikums Cyclophosphamid, das haben französische Forscher herausgefunden. Offensichtlich wirkt das Chemotherapuetikum auf zwei Arten. Zum einen greift es direkt in das Zellwachstum ein. Zum anderen macht es die Darmbarriere durchlässiger. Dadurch können Keime aus dem Darm direkt mit dem Immunsystem in Verbindung treten und dieses stimulieren, was sich als Segen für die Patienten erweist. Die Immunzellen gehen durch diesen Bakterien-Impuls härter gegen Krebszellen vor und verstärken dadurch die Wirkung der Chemotherapie. In mehreren Studien konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Gabe der beiden Mikroorganismen die krebshemmende Immunantwort verstärkt.
Wie kann man bei einer bestehenden Krebserkrankung vorgehen?
- Besprechen Sie den Wunsch, die Darmflora zu schützen bzw. aufzubauen mit Ihren behandelnden Ärzten
- Versuchen Sie sich besonders ausgewogen und darmfreundlich zu ernähren. Wichtig sind präbiotische Ballaststoffe wie Inulin, resistente Stärke, Akazienfasern oder Pektin, die man in Obst, Zwiebeln und allen Laucharten (Porree, Schnittlauch, Knoblauch), Haferflocken und Hülsenfrüchten findet. Akazienfasern sind in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten und gelten als besonders wirksame Förderer der Bifidobakterien. Wie Sie einzelne Bakterien der Darmflora gezielt fördern können, erfahren Sie hier
- Zusätzlich sollten Sie probiotische Bakterien zuführen (nach Absprache mit dem behandelnden Arzt). Diese sollten hochdosiert sein (20 Mrd Keime pro Tagesdosis oder mehr) und mehrere unterschiedliche präbiotische Ballaststoffe enthalten (solche Präparate werden auch als Synbiotika bezeichnet)
- Achten Sie darauf, dass diesen Präparaten KEINE Vitamine zugesetzt sind. Vitamine wie Folsäure oder Antioxidantien wie Vitamin C, E, Beta-Carotin, Selen etc. können während der Krebstherapie die Wirksamkeit der Behandlung verschlechtern.
- Lassen Sie – vor allem bei einer Darmkrebserkrankung – eine Parodontose behandeln. Mehr über die Zusammenhänge zwischen Parodontose und Darmkrebs finden Sie in unserem Artikel Zahnpflege schützt vor Darmkrebs
- Versuchen Sie – wann immer möglich – Antibiotika zu meiden. Allerdings sind Antibiotika im Rahmen einer Krebstherapie manchmal auch dringend notwendig – bitte sprechen Sie das immer mit Ihrem Arzt ab
- Lassen Sie – wenn die Krebstherapie und die letzte Antibiotikabehandlung mindestens 3 Monate zurückliegt, Ihre Darmflora testen. Mehr dazu in unserem Artikel Kennen Sie Ihre Darmflora? Wenn nein dann machen Sie den Darmtest.
Quellen
Chalabi M, Cardona A, Nagarkar DR et al. (2020) Efficacy of chemotherapy and atezolizumab in patients with non-small-cell lung cancer receiving antibiotics and proton pump inhibitors: pooled post hoc analyses of the OAK and POPLAR trials. Annals of Oncology 31 (4): 525-531: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0923753420359275
Gopalakrishnan V, Spencer CN, Nezi L, et al. (2018) Gut microbiome modulates response to anti-PD-1 immunotherapy in melanoma patients. Science. 359(6371):97–103. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29097493/#affiliation-3
Naito Y, Uchiyama K, Takagi T et al. (2018) A next-generation beneficial microbe: Akkermansia muciniphila. J Clin Biochem Nutr. 63(1):33-35. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6064808/