Aktuelles Darmgesundheit

Das Mikrobiom für alle Lebenslagen

Seit rund zehn Jahren erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Besiedlung des Darms. Dennoch sind grundsätzliche Fragen zum menschlichen Mikrobiom nach wie vor ungeklärt. Neueste Erkenntnisse liefern nun drei Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM) in einer kürzlich erschienenen Trilogie von Publikationen, die hier kurz vorgestellt werden.

Kalte Kartoffeln gegen komplexe Krankheiten

Lässt man stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln abkühlen, so entsteht sogenannte resistente Stärke. Sie ist von den körpereigenen Enzymen, den Amylasen, nicht abbaubar und soll Krankheiten wie Darmkrebs und Diabetes vorbeugen. Doch wie sie genau im Körper wirkt, ist bisher kaum erforscht. In einer aktuellen Studie im Fachjournal ‚mBio‘ zeigten die Wissenschaftler, dass besonders die Bakteriengattung Firmicutes von einer Diät mit viel resistenter Stärke profitiert. Zugleich wurden im Darm Moleküle gebildet, die für den menschlichen Fettstoffwechsel eine wichtige Rolle spielen. Für die Studie hatten die Autoren für einen Darmtest Stuhlproben von 39 Probandinnen und Probanden untersucht, die sich jeweils für zwei Wochen von viel oder wenig resistenter Stärke ernährt hatten.

Dazwischen lag eine Übergangsphase ohne spezielle Diät. „Durch die Verknüpfung von genomischen, proteomischen und metabolomischen Daten konnten wir erstmals einen umfassenderen Einblick gewinnen, wie sich resistente Stärke auf das Mikrobiom im Darm und damit auch auf die Gesundheit auswirkt“, erklärt Prof. Dr. Philippe Schmitt-Kopplin, Leiter der Abteilung Analytische Biogeochemie (BGC) am Helmholtz Zentrum München und des Lehrstuhls für Analytische Lebensmittelchemie an der TUM. „Gerade mit Blick auf Ernährungsstudien und die Diabetesforschung wollen wir die Zusammenhänge künftig noch detaillierter aufklären.“

Baby-Darm bleibt seiner Ursprungsbesiedlung treu

Kann die Darmflora eines Babys durch Zugabe von Bakterien in die Milchnahrung beeinflusst werden? Mit dieser Frage befasste sich die Gruppe von Prof. Dirk Haller vom Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie der TUM gemeinsam mit dem Team um Philippe Schmitt-Kopplin. Sie untersuchten an 105 Babys die Wirkung von mehreren Bifidobakterien als Zusatz in Milchnahrung in den ersten zwei Lebensjahren. Bifidobakterien sind wichtige Besiedler im Neugeborenendarm und werden immer wieder mit probiotischen Effekten in Zusammenhang gebracht. Völlig unklar ist die Frage, ob Bifidobakterien in der Säuglingsnahrung die Besiedlung des Darms und deren Stoffwechselprodukte (Metabolite) in der monatlichen Dynamik des ersten Lebensjahrs beeinflusst. Die Wissenschaftler konnten belegen, dass die Darmflora bei Säuglingsnahrung im Vergleich zur Muttermilch tatsächlich signifikant unterschiedlich ist und heterogener zusammengesetzt war. „Allerdings stellten wir am Ende des zweiten Jahres fest, dass Bifidobakterien in der Nahrung nur wenig Einfluss auf die Kolonisierung hatten und anfängliche Unterschiede im Laufe der zwei Jahre wieder verschwanden“, sagt Haller. „Das wirft natürlich sehr viele neue Fragen auf, etwa ob Babys gar keine heterogene Mikrobiota brauchen? Denn die Muttermilchzusammensetzung enthält wenige dominante Bifidobakterienarten. Später im Erwachsenenalter haben wir eine viel heterogenere Besiedelung des Darmes und Diversität korreliert mit einem gesunden Ökosystem.“ Ab Februar 2018 wird daher eine Folgestudie zum Thema durchgeführt, um die aufgekommenen Fragen zu klären.

Neue Molekülklasse im Darm entdeckt

In einer weiteren Studie in ‚Scientific Reports‘ wiesen die Mikrobiom-Experten zudem eine ungewöhnliche Klasse von bakteriellen Fetten (Sulfonolipiden) im Darm nach. „Im Darm befinden sich zahlreiche Stoffwechselprodukte, die sich in Abhängigkeit der Ernährung aber auch des Gesundheitsstatus des Wirtes verändern“, erklärt BGC-Wissenschaftlerin Dr. Alesia Walker, die Erstautorin der Arbeit. „Sie aufzuspüren und metabolomisch zu charakterisieren ist ein erster Schritt, um das komplexe Wechselspiel zwischen dem Darm und seinen Bewohnern zu verstehen.“ Bisher waren die Fette nur in Umweltbakterien beschrieben worden, nun fanden die Forscher sie im Darm von Mäusen – je nach deren Ernährung leicht verändert. Zudem konnten die Wissenschaftler bereits feststellen, welche Bakterien genau die seltenen Verbindungen herstellen (Alistipes und Odoribacter). In bereits laufenden Untersuchungen wollen die Forscher nun herausfinden, ob sich diese Erkenntnisse auch beim Menschen bestätigen. Darüber hinaus wollen sie die Lipide auf deren biologische Funktion testen. „Da der Wirt selber ist nicht in der Lage ist, die Verbindungen herzustellen, vermuten wir ein chemisches Kontinuum zwischen Umwelt- und Darmmikrobiom“, erläutert Schmitt-Kopplin.

Beispielhafte Kooperation zwischen TUM und Helmholtz Zentrum München

Für Haller sind die Studien ein weiterer Beleg für die erfolgreiche Kooperation zwischen der TUM und dem Helmholtz Zentrum München. „Gemeinsam bearbeiten wir das Thema Mikrobiom und Gesundheit auf sehr hohem Niveau und können unsere Ressourcen sinnvoll bündeln.“ Dazu ergänzt Analyse-Experte Schmitt-Kopplin: „Heutzutage ist Wissenschaft kaum noch denkbar ohne internationale und interdisziplinäre Vernetzung. Durch unsere Expertise auf dem Gebiet der Mikrobiomforschung können wir zahlreiche Forschungsfelder wie beispielsweise die Stoffwechselforschung grundlegend bereichern.“

Quellen

Bazanella, M. et al. (2017): Randomized controlled trial on the impact of early-life intervention with bifidobacteria on the healthy infant fecal microbiota and metabolome. Mikrobiom. The American Journal of Clinical Nutrition, https://academic.oup.com/ajcn/article/106/5/1274/4822328

Maier, TV. et al. (2017): Impact of Dietary Resistant Starch on the Human Gut Microbiome, Metaproteome, and Metabolome. mBio https://mbio.asm.org/content/8/5/e01343-17.abstract

Walker, A. et al. (2017): Sulfonolipids as novel metabolite markers of Alistipes and Odoribacter affected by high-fat diets. Scientific Reports, https://www.nature.com/articles/s41598-017-10369-z

Hintergrund:

Metabolomik (engl.: metabolomics) bezeichnet einen neuen Ansatz in der Stoffwechselforschung, der die Stoffwechsel-Eigenschaften ganzheitlich – unter Einbeziehung von Umsatzraten, Interaktion sowie räumlicher und zeitlicher Trennung einzelner Stoffwechselwege – betrachtet. Auch genetische und mikrobielle Einflüsse finden darin Berücksichtigung. Dass die genutzten wie erhobenen Daten der Metabolomik äußerst komplex sind, liegt auf der Hand – verfeinerte biologische wie mathematische Analysemethoden sind daher gefragt. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München nutzen eine besonders hochauflösende Form der Massenspektrometrie, um in kürzester Zeit detaillierte Informationen über den metabolischen Status einer Probe zu erhalten. Die Autorin Tanja Verena Maier ist Mitglied der Helmholtz Graduate School Environmental Health, kurz

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